Der Mensch im Alltag des Hundes

   
 

Verehrte Hündinnen, liebe Hunde.

Als erfolgreicher Halter zweier Menschen spreche heute zum Thema Der Mensch im Alltag des Hundes. Zunächst aber darf ich mich vorstellen: Mein Name ist Bodo vom Rabenbaum. Ich bin ein Pudel, wie Sie sehen, und gehöre damit zu den schönsten und klügsten Hunden der Welt. Aber ich bin kein gewöhnlicher schöner und kluger Pudel. Neben diesen angenehmen und zweifellos nützlichen Eigenschaften zeichnen mich weitere aus. Ich stamme aus einer alten Adelsfamilie. Mein Name beweist das. Ich bin, auch das sehen Sie, ein schwarzer Pudel wie alle meine Vorfahren, und ich bin groß, so groß wie, na ja - fast so groß wie ein Schäferhund. Ich bin ein Königspudel!

Meine Freundinnen nennen mich Booodo. Sie bewundern mich. Manchmal, bei angenehmen Gelegenheiten, flüstern sie meinen Namen. Dann sagen sie Booodo, Booodo o o. Die Freunde dagegen nennen mich respektvoll Bodo, wenn ich ihnen diese vertraute Anrede gestatte. Alle anderen Hunde aber sagen Herr Bodo zu mir. Und auch ich sage zu den meisten Herr Waldi, Herr Bello oder Herr Hasso. Das verschafft Achtung. Und wenn einer frech wird, einer dieser herumstromernden rotznäsigen stinkenden Straßenköter, dann sage ich nur: Vorsicht! Sie sehen, daß ich meinen Menschen an der Leine habe. Zwingen Sie mich nicht, ihn loszulassen! Der ist gefährlich! Und schon ziehen alle Kläffer die Schwänze ein.

Verehrte Hündinnen, liebe Hunde. Ich habe meine Menschen im Alter von drei Monaten bekommen, ein Männchen und ein Weibchen. Beide sind schon ziemlich alt, fünfundsechzig ungefähr. Die Dressur war daher schwierig. Ich nannte sie Suso und Susi. Als sie dies endlich verstanden hatten, war die Erziehung leichter. Sie wußten dann bald, was ich erwartete, was sie tun durften und was nicht, und daß meine Wünsche für sie Befehle waren. Das ist Dressologie! Und diese hört bei Menschen niemals auf. Immer wieder müssen sie Neues lernen.

Die Erfolge meiner Menschenerziehung, verehrte Hündinnen, liebe Hunde, lassen sich am besten darstellen, wenn ich Ihnen berichte, was sich bei mir im Alltag ereignet.

Nachts schlafen Suso und Susi gemeinsam in einer großen Kiste, die sie Bett nennen. Sie haben kein Fell, nur ein paar Reste davon auf dem Kopf und unten am Bauch. Darum verkriechen sie sich nachts unter weichen Decken. Ich schlafe im gleichen Zimmer, in einem tollen Korb. Dort liegt auch mein Lieblingsspielzeug, ein Quakfrosch aus Gummi. Der ruft immer Oak Oak, wenn ich ihn ein bißchen beiße.

Suso schnarcht nachts, manchmal sehr laut. Das stört mich, besonders bei Träumen. Wenn ich mich darin mit Lissi treffe, meiner schönen Freundin aus der Nachbarschaft, und Suso schnarcht los, meint man, daß eine große Lokomotive faucht und pfeift. Lissi verschwindet dann, und mir tut der Kopf entsetzlich weh. Zuerst, am Anfang, habe ich gebellt. Das war nicht gut. Suso stöhnte und schimpfte, wenn er wach wurde. Einmal hat er sogar mit dem Wecker nach mir geworfen. Der zerbrach mit Geklirr, und Suso schimpfte noch schlimmer. Da ist mir etwas eingefallen, eine List.

Wenn Suso jetzt zu schnarchen beginnt, schleiche ich mich leise an sein Bett, beiße in seine Decke und ziehe diese herunter, auf den Boden. Sofort danach liege ich wieder im Korb, und jeder denkt, daß ich tief und fest schlafe.

Suso aber kriegt einen kalten Bauch und wird wach. Dann sucht er seine Decke. Wenn er diese auf dem Boden findet, guckt er zu mir herüber. Er fragt sich vielleicht, ob ich das getan habe. Vielleicht denkt er aber auch: Wie gut, daß Bodo schläft und nicht gesehen hat, wie sehr ich strampele im Schlaf. Meist ist Suso danach ruhiger. Wenn er aber wieder anfangen sollte zu schnarchen, dann - ja dann wiederholt sich eben alles.

Morgens, wenn es draußen hell wird, wecke ich Susi. Ich bringe ihr die Pantoffeln ins Bett und knurre ein bißchen. Sie versteht das und begrüßt mich freundlich, streichelt mich und nimmt mich in ihre weichen warmen Arme. Das tut gut. Man kriegt dann angenehme Gedanken.

Suso wecke ich nicht gern. Man weiß nie, was geschehen wird. Es kann sein, daß er freundlich ist. Oft aber reißt er seinen Rachen weit auf und gähnt mit entsetzlichen Tönen. Und manchmal, auch das ist leider schon passiert, wirft er mit seinen Pantoffeln nach mir. Er hat leider immer noch nicht gelernt, daß ich dies nicht wünsche.

Verehrte Hündinnen, liebe Hunde. Nach der Schmuserei öffnet Susi mir die Haustür. Sie weiß, daß ich jeden Morgen vor dem Frühstück kontrolliere, was nachts im Garten und in der Nachbarschaft passiert ist. Zuerst aber sitze ich gewöhnlich einige Minuten auf der Eingangsstufe, höre zu, wie die Vögel den neuen Tag begrüßen und schnuppere ein bißchen. Das reicht, um festzustellen, ob Freddi wieder unterwegs war, ein kleiner respektloser Köter, bei dem man nur am Geruch feststellen kann, was vorn und was hinten ist.

Bei der weiteren Inspektion meines Gartens suche ich nach Spuren von Mäusen, Kröten und Igeln. Bei denen überlege ich, wann diese Tiere hier waren und in welche Richtung sie liefen. Kein Problem bei meiner Nase!

Dann gehe ich zur Straße. Auch dort ist morgens viel zu tun. Ich laufe bis zur ersten Querstraße links und dann zurück bis zur ersten Querstraße rechts, immer an den Mauern und Hecken entlang. Dort finde ich die Düfte von allen Tieren, die sich in der Nacht hier herumgetrieben haben, in meinem Revier. Manchmal kann ich gar nicht genug pinkeln, um alle Gerüche verschwinden zu lassen. Ein Kater ist besonders frech. An jedem Pfahl, an jeder Mauerecke reibt der seinen Hintern und hinterläßt fiesen Gestank. Wenn ich den sehen sollte, kann er was erleben. Ich werde ihn in die höchsten Bäume jagen!

Die Briefträgerin kommt gegen acht Uhr. Sie bringt die Morgenzeitung und manchmal auch Post. Ich habe sie so gut dressiert, daß sie bei mir nicht mehr ängstlich ist wie bei anderen Hunden. Wir unterhalten uns etwas, meist über das Wetter, bevor sie mit ihrem Fahrrad weiterfährt. Ich aber bringe die Zeitung zur Haustür, wo Susi oder Suso mich erwarten. Sie dürfen mich loben und dann das Frühstück anrichten. Gewöhnlich esse ich ein Müsli aus Kornflocken und Milch mit Fleischbröckchen. Davon bekommt man Kraft und ein glänzendes Fell. Wenn ich mein Essen unterbreche, bevor die Schüssel leer ist, legen meine Menschen sofort ein paar zusätzliche Fleischbrocken hinein. Sie wissen, was ich wünsche.

Nach dem Frühstück darf Suso die Zeitung lesen. In dieser Zeit pflegt Susi mein Fell. Ich habe drei Kämme. Susi weiß, daß sie zuerst den Kamm mit den großen Zähnen benutzen muß und zuletzt den Kamm mit den kleinen Zähnen. Danach poliert sie meine Fußnägel und holt einen Spiegel. Wenn ich auch meine Rückseite betrachten will, gehe ich zum Flur. Dort gibt es einen großen Spiegel vom Boden bis zur Decke. Susi freut sich, wenn ich ein bißchen mit dem Schwanz wedele und ihr sage, daß ich zufrieden bin.

Dann gehe ich spazieren. Meist führe ich Suso an der Leine. Bei einem Menschenpärchen braucht man nur ein Tier anzubinden. Das andere bleibt in der Nähe. Unser Ziel ist gewöhnlich der Stadtpark mit großen Spielwiesen und einem Teich. Dort treffen sich viele Hunde, die mit ihren Menschen spazieren gehen. Wir alle kennen uns schon gut. Nach der Begrüßung erzählt jeder, was er erlebt hat seit dem letzten Treffen und ob es Probleme gab mit den Menschen. Ein kleiner Dackel berichtet oft von dem schlechten Geruch seines Menschen, ein Männchen. Das muß immer Schnaps trinken. Auch andere Menschen leiden an dieser Krankheit. Und leider kennen wir dagegen keine Medizin. Wir können nur versuchen, den Geruch zu verbessern. Weil man diese armen Kranken nicht anpinkeln darf, bekam der kleine Dackel den Rat, sich beim Schmusen auf die Füße seines Menschen zu setzen und dort unauffällig seinen Hintern zu reiben. Das hat geholfen. Wir konnten uns selbst überzeugen. Sein Mensch riecht jetzt viel angenehmer, unten.

Verehrte Hündinnen, liebe Hunde. Suso und Susi haben Freude daran, wenn sie am Teich im Park Enten füttern dürfen. Mit großem Spektakel und lautem Schnattern laufen diese dann vor meinen Menschen herum und streiten sich um jeden Brotbrocken, der ihnen zugeworfen wird. Manchmal möchte ich diese Bande gern zurückjagen auf's Wasser. Aber Suso und Susi wollen das nicht. Dieses dumme Spiel gefällt ihnen. Leider ist mir noch nicht eingefallen, wie ich das ändern kann.

Später gehen wir zu den Wiesen im Park. Susi nimmt immer meinen Ball mit. Ich zeige, wer damit werfen darf und versuche dann, den Ball so schnell wie möglich zurückzubringen. Das Laufen ist gut für meine Muskeln und meine Lunge. Oft fange ich den Ball im Flug. Dann klatschen alle, die zusehen. Wenn auch andere Hunde mitspielen, streiten wir uns manchmal. Leider werden unsere Menschen schon bei kleinen harmlosen Raufereien sehr aufgeregt. Ihre Nerven sind schwach. Sie rennen dann sofort herbei und wollen wieder an die Leinen. Nobody is perfekt!

Mittags darf Susi mir ISSGUT servieren. Das besteht aus Fleisch, Gemüse, vielen Vitaminen und Calcium für starke Knochen. ISSGUT gibt es mit vielen Fleischsorten. Ich esse meist Wildschwein mit Preiselbeeren, manchmal aber auch Rehrücken mit Steinpilzen. Wenn ich satt bin, beginnt die Mittagsruhe. Auch meine Menschen legen sich hin. Sie wissen jetzt, daß ich bei meinem Mittagsschlaf nicht gestört werden möchte. Erst nach ungefähr zwei Stunden dürfen sie aufstehen, Kaffee kochen und ein Stück Kuchen essen. Leider sieht man an ihren Bäuchen, wie ungesund das ist. Als eine meiner Freundinnen einmal sagte, auch ich würde rund und fett, habe ich nachmittags auf das Essen verzichtet, mit Erfolg, wie Sie sehen. Drei Mahlzeiten täglich genügen mir.

Verehrte Hündinnen, liebe Hunde, lassen Sie mich noch berichten, was ich abends unternehme, wenn Suso und Susi vor dem Fernseher sitzen und sich Bilder ansehen. Die bewegen sich so langsam und ruckartig, daß jeder Hund davon Kopfschmerzen bekommt. Für die Menschen aber scheinen die Bilder zu laufen. Sie freuen sich darüber. Manchmal aber weinen sie auch. Ihre Gehirne täuschen sie sehr.

Für mich beginnt dann die schönste Zeit des Tages. Zuerst markiere ich wieder mein Revier, am Gartentor vor dem Haus und zwischen den beiden Querstraßen rechts und links. Damit zeige ich allen, wer hier der Herr ist, und jede Hündin findet den Weg zu mir. Dann warte ich.

Ich, Bodo vom Rabenbaum, empfange Besucherinnen nur in meinem Garten. Die meisten wissen, daß ich nicht zu den Strolchen gehöre, die nur ein bißchen schnüffeln, aufspringen und fertig sind. Diese Banausen kennen keine Zärtlichkeit, nur Gewalt. Mir wird übel, wenn ich daran denke!

Im Garten, hinter dem Tor links, haben meine Menschen für mich eine Laube gebaut, mit Wänden und einem Dach aus Rosen und einem grünen Teppich auf dem Boden. Das ist der Platz, den meine Freundinnen und ich lieben. Und wenn sich dort der süße Rosenduft mit unserem verbindet, wenn das tolle Kribbeln beginnt, dann - dann sind wir die glücklichsten Hunde auf der ganzen Welt. Wir genießen das, manchmal bis Mitternacht, immer aber so lange, wie Suso und Susi vor ihrer Fernsehkiste sitzen. Leider vergesse ich abends oft, sie früh ins Bett zu schicken.

Wenn ich dann später in meinem Korb liege, erzähle ich meinem Quakfrosch, was ich an diesem Tage erlebt habe. Und ich denke auch schon daran, was ich tun werde, wenn Suso wieder schnarcht und meine schönen Träume stört.

Verehrte Hündinnen, liebe Hunde, Ich, der Königspudel Bodo vom Rabenbaum, beende meinen ausgezeichneten Vortrag über den Umgang mit Menschen. Trotz aller Probleme werden auch Sie viel Freude haben, wenn Sie ihre Menschen mit Liebe und Strenge erziehen. Bitte bellen Sie jetzt Ihren Beifall und wedeln Sie kräftig mit den Schwänzen.


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